Christoph und Michael unterhalten sich darüber, wie sich der gesellschaftliche Umgang mit Fragen gewandelt hat, die unsere Gesellschaft ins Jenseits, im Unterscheid zu einem Diesseits, verlagert und welche Fragen sich daraus ergeben.
Links:
- Dirk Baecker zu Sozialarbeit, Kapitalismus und Religion (Youtube)
- Walter Benjamin – Kapitalismus als Religion (PDF)
- Prolegomena der Kritik der reinen Vernunft von Immanuel Kant (Blogbeitrag, Lesung)
- You are a Simulation & Physics Can Prove It: George Smoot at TEDxSalford
- Niklas Luhmann, Abschnitt über Transformation von Was Fragen in Wie Fragen. Aus: Wissenschaft der Gesellschaft, S. 98
- Aufwachen Podcast A!187, Kapitel „Mord und Totschlag auf deutschen Straßen“
- Zu Kapitel „Identitätsfindung“
Individualisierung von Rationalitätszumutungen durch auf funktionale Komplementärrollen abstellende Identitätsbildung.
Luhmann, GdG, S.739 pic.twitter.com/Qj0MRocwjP
— Aulus Agerius (@adloquii) 14. März 2017
Feedback z.B.:
Christoph & Michael !
Habe mir große Teile angehört und mich immer wieder gefragt wann Ihr zum Thema Metaphysik kommt.
Mir ist nicht ganz klar geworden ob Ihr überhaupt wisst was da oben drüber steht, ob Euch die Dimension der Frage überhaupt klar ist?
Ich weiß auch nicht viel, nur wüsste ich, wenn ich irgendwo „Metaphysik“ ankündige, dass ich vorher einiges tun müsste um mir darüber im klaren zu werden wie über diesen Begriff gedacht wurde.
Kant oder Benjamin wären schon Drehangeln zu Türen die zur Frage der Metaphysik führen könnten.
Mit Grüßen aus
den vernebelten Bergen
Günter L.
Hallo Günter,
sehe ich auch so … warum Michael „Metaphysik“ drübergeschriben hat, müssen wir Michael fragen : ) Aber ok. Michael und ich führen einfach sehr diffus-turbulente und ergebnisoffene Gespräche, die es überhaupt schwer machen sie irgendwo einzukategorisieren, bzw zu labeln. Deswegen: Hab Verständnis mit uns und mit der Tatsache, dass unsere Gespräche inhaltlich und auch titelmäßig nicht gut greifbar sind 🙂 .. Einen gewisser Eklektizismus-Vorwurf müssen wir uns auch vom Prinzip gefallen lassen. Das gehört, wenn man so will zum Spiel. Eine gewisse Prise Eklektizismus ist bei so „Gesprächsimprovisationen“ einfach auch nützlich, … und hält (den anderen) wach 🙂
Danke, dass Du unser Gespräch tatsächlich teils gehört hast. Ich/wir hoffen Du warst nicht allzu enttäuscht.
Liebe Grüße
christoph
PS: … übrigens Titel und so weiter werden im Nachhinein vergeben… Metaphysik stand nicht vorher aufm Zettel….
Allgemein ist es hier eher ungünstig mit bestimmten Erwartungen sich unsere Gespräche anzuhören, denke ich….. Obgleich der Du uns natürlich zurecht vorwirfst, dass wir mit dem Titel eine gewisse Erwartungshaltung aufrufen … der vielleicht optimaler hätte gewählt werden können…. Grüße
Mich freut diese Diskussion sehr, danke für den Anstoß Günter!
Der Begriff der Metaphysik geht, so die Sage, darauf zurück, dass der Peripatetiker Andronikos von Rhodos (1. Jahrhundert v. Chr.) Bücher hinter andere Bücher über Physik angeordnet hat (τὰ μετὰ τὰ φυσικά tà metà tà physiká ‚das nach/neben der Physik‘).
Der Titel dieses Gespräches folgt also ganz klar einer wissenschaftlichen Begriffstradition, indem er einen Unterschied markiert, zwischen dem Nachrichtenwert einer Aussage und den Gründen des Mitteilens. Während Christoph und ich in unseren vorhergehenden Gesprächen den Begriffen der Freiheit, des Vertrauens und des Systemvertrauens (Organisation, Mitgliedschaft, Netzwerke) nachgegangen sind, haben wir uns in diesem Gespräch darüber unterhalten, welche Gewissheiten noch gelten, wenn wir es mit einer Gesellschaftsstruktur zu tun bekommen, über die es noch keine ex post Beschreibung gibt. Der Titel Metaphysik ist diesbezüglich eine Analogie. Während die Strukturen historischer Gesellschaftsstrukturen gut erforscht sind, ist das darauffolgende noch nicht sehr gut in erfahrung gebracht.
Die Verwirrung über die Begriffswahl markiert genau diesen Umstand. Wir haben es, so meine Einschätzung, mit einem gesellschaftlich bekannten, aber noch nicht erkannten Phänomen zu tun. Erwartungsenttäuschungen bleiben dabei leider nicht aus.
Zum Unterschied zwischen bekannt und erkannt hat Klaus eine hervorragendes Zitat von Hegel herausgesucht:
„Das Bekannte überhaupt ist darum, weil es bekannt ist, nicht erkannt. Es ist die gewöhnlichste Selbsttäuschung wie Täuschung anderer, beim Erkennen etwas als bekannt vorauszusetzen, und es sich ebenso gefallen zu lassen; mit allem Hin- und Herreden kommt solches Wissen, ohne zu wissen, wie ihm geschieht, nicht von der Stelle.“ So Hegel in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes. Phänomenologie des Geistes, Vorrede, S. 25. In: Wessels, Hans-Friedrich und Wolfgang Bonsiepen, Hamburg 1988.
https://differentia.wordpress.com/2015/01/11/bekanntheit-und-erkenntnis/
Lieber Gruß
Michael
An Christoph und Michael!
Der Bogen den ihr hinbekommen habt, von der Magie des Schamanen über die Schrift zum Buchdruck, zur Rationalität und zu ausdifferenzierten Systemen und deren Individuen bis zur Magie-Heute, nur jetzt mit den Möglichkeiten des Internets – der Bogen wird mit großen Lücken, Abgründe, Untiefen geschlossen.
Das wird u.a. deutlich wenn Michael Karbacher schreibt: „Während die Strukturen historischer Gesellschaftsstrukturen gut erforscht sind, ist das darauffolgende noch nicht sehr gut in Erfahrung gebracht.“ Und meint, in den gut erforschten Strukturen würden „Gewissheiten noch gelten,“ während „wenn wir es mit einer Gesellschaftsstruktur zu tun bekommen, über die es noch keine ex post Beschreibung gibt“, in der wir freier seien.
D.h. über Vergangenheit wissen wir Bescheid, das Zukünftige lässt uns frei…?
Weder kann Niklas Luhmann mit der Systemtheorie, noch kann mittels der simplifizierten Struktur von Dirk Baecker „historischer Gesellschaftsstrukturen“ einsichtig gemacht werden.
Ersterer hat sich das auch nie zur Aufgabe gestellt. N. Luhman kann nur Aussagen über Geschichte treffen, die seine Systemkategorien erlauben, Aussagen, die wie Geschichtsaussagen bei Luhmann klingen haben nicht den Anspruch Geschichte zu sein.
Ein großer Teil des gigantisches Wissensmaterial der Geschichte erscheint bei Luhmann nur als Differenz, als nicht markierter Bereich, viel Geschichte kann bei Luhmann von der Sache (der Systemtheorie her) her nur als Differenz erscheinen, z.B. der Gottesbegriff, die Metaphysik, Kunst, Religionen als geschichtlich sich Ereignendes.
Der Schematismus von Baecker verführt dazu, diesen eine Aspekt der Geschichte – Sprache, Schrift, Buchdruck, Computer – als die gesamte Geschichte betreffend zu lesen.
Während erster weiß was er tut, suggeriert Baecker sich selbst und leider denen die ihm folgen Geschichtswissen zu vermitteln.
In der Frage nach dem Unterschied von Transzendenz und Immanenz wird dann besonders deutlich, welche großen Lücken der Baeckersche Schematismus aufweist.
z.B. die Ausdifferenzierung der Schriftkulturen ( Mesopotanien, Ägypten, Japan, China…)sowie die dazu parallel geführten Sprechkulturen ( Judentum und Islam), die Ikonodulen und Ikonoklasten, die Wirkung des Christentums in Sprache, Bild und Opferritual und und und ………………um nur einiges aufzuzählen.
Dem Baeckerschen Schema fehlt ebenso die historische Differenz, die trotz historischem Wissen erwägen will, wie fremd uns heute vergangene Lebens- und Denkweisen bleiben. Z.B. wie fremd uns der Gottesglauben eines Gründewald bleibt, die Lebensweise eines Nikolaus von der Flue, die Bildhaftigkeit von Dante………
Der Fehler liegt schon in der Selbstdefinition des Soziologen, der sich als Beobachter selbst draußen halten.
dazu euer Hegel Zitat: „Das Bekannte überhaupt ist darum, weil es bekannt ist, nicht erkannt……“
Vermischtes aus den Bergen
Günter
Ein gedanke zur »spekulation« von transhumanisten & co.: man könnte das wohl eher apologetik nennen; theorie und methode scheinen sich dort vollständig gelöst zu haben, gerade die methoden werden also beliebig wechselbar, weil durch die präskriptive methode alles vorgegeben ist. Was man will wird zu dem, was kommen sollen muß – und das läßt sich als »spekulation« (»herumraten«) bezeichnen.
Man könnte unter spekulation auch die unvorgegebenheit von methode und theorie fassen. (Entgegen bspw. der unvorgegebenheit von theorie, aber der vorgegebenheit von [wissenschaftlichen] methoden, wie sie in der derzeitigen wissenschaft populär ist.) Gerade im frühen kopernikanismus war sowohl die zu beweisende theorie noch gar nicht als beweisbar gesichert, als die dazu zu verwendenden mittel noch unsicher (das experiment als experiment). Insofern sollte man die fiktionierung als experiment, was sich erzählen und denken ließe, nicht als »reine« spekulation unterschätzen, sondern als möglichkeitsraum eröffnende spekulation schätzen. Die dürfte sich dann aber gerade nicht unangreifbar machen, sondern müßte die sicherheiten haben, sehr angreifbar zu sein.
Dies weniger als einwand gegen euch, als mehr ein gedanke, der mir bei eurem gespräch kam.